18. Januar 2021

Leprafund bei Schimpansen

Affenforscher haben wildlebende Schimpansen mit einer Lepra-Erkrankung entdeckt. Ein wichtiger Fund für Lepra-Hilfswerke wie die DAHW: Denn bisher ging man davon aus, dass der Mensch das Hauptreservoir für den Lepra-Erreger ist. Foto: Elena Bersacola / DAHW

Affenforscher*innen haben in Guinea-Bissau und an der Elfenbeinküste bei wildlebenden Schimpansen Lepra entdeckt. Ein Hinweis darauf, dass es natürliche Reservoire für den Erreger geben könnte und der Mensch nicht die alleinige Quelle ist. „Wir wissen, dass wir zu wenig wissen“, müsste das Fazit zu dieser Entdeckung lauten: Denn obwohl Lepra als die älteste Krankheit der Menschheit gilt, sind die Forschungs- und Wissenslücken bei Lepra erschreckend groß und es fehlt an grundlegenden Informationen wie beispielsweise zu den Übertragungswegen.

In der Folge erkranken auch heute noch Jahr für Jahr über 200.000 Menschen weltweit neu und sind dadurch von Behinderungen, Ausgrenzung und Armut bedroht. Immer mehr deutet darauf hin: Will man die Krankheit Lepra endlich ausrotten, müssen Human- und Veterinärmedizin zusammenarbeiten und sektorübergreifende Maßnahmen im Sinne des „One Health“-Ansatzes umgesetzt werden.

2011 wurde bei Gürteltieren im Süden der USA ein spezieller Stamm des Lepra-Erregers entdeckt, 2016 bei Eichhörnchen und anderen Nager in Großbritannien und Irland. Auch bei Primaten in Zoos ursprünglich aus Nigeria und Sierra Leone konnte das Mycobacterium leprae nachgewiesen werden. Nun ein Fund bei wildlebenden Schimpansen im Cantanhez-Nationalpark von Guinea-Bissau und im Taï-Nationalpark in der Elfenbeinküste – anders als die anderen Tiere hatten sie sehr wahrscheinlich nie Kontakt zu einem Menschen. „Deshalb ging man bisher davon aus, dass sich die Tiere durch Kontakt zum Menschen infiziert haben und dieser das Hauptreservoir für den Lepra-Erreger“, so Dr. Fabian Leendertz, Wildtierexperte am Robert-Koch-Institut in Berlin. „Doch der Genotyp des Bakterienstamms, den wir in Stuhl- und Gewebeproben der betroffenen Affen in West-Afrika finden konnten, tritt beim Menschen äußerst selten auf. Es müsste daher andere Quellen in der Tier- und Umwelt geben.“

Gemeinsam mit einem Forscherteam hatte Leendertz in Dschungelgebieten Kamerafallen aufgestellt, die Bilder von Schimpansen mit auffälligen Hautveränderungen im Gesicht und an den Extremitäten lieferten. Weil das Team den Tieren nicht zu nahekommen wollte, schickte es die Bilder zur Beurteilung an Lepraexperte Professor Dr. August Stich, Chefarzt der Klinik für Tropenmedizin am Klinikum Würzburg Mitte, Vereinsmitglied bei der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe, bei der er auch lange im Vorstand tätig war. „Als Humanmediziner war es gar nicht so einfach, auf Basis der Fotografien eine Ferndiagnose zu erstellen, zumal Lepra in sehr unterschiedlichen klinischen Bildern auftreten kann“, erinnert sich Stich. Die Bestätigung erbrachte schließlich eine Analyse von Kotproben der betroffenen Tiere. „Für die Bekämpfung der Lepra heißt das, wir dürfen uns nicht nur auf den Menschen fokussieren, sondern müssen das Tierreich mit einbeziehen.“

Eine Erkenntnis, die sich auch bei anderen Vernachlässigten Tropenkrankheiten (Neglected Tropical Diseases, NTDs) immer mehr durchsetzt. Denn von den aktuell 20 gemäß der Weltgesundheitsorganisation WHO als NTDs klassifizierten Krankheiten, zu denen Lepra zählt, handelt es sich bei mindestens 14 sehr wahrscheinlich um sogenannte Zoonosen: um Krankheiten und Infektionen, die –  ausgelöst durch Bakterien, Viren, Pilze oder Parasiten – von Tier zu Mensch (Zooanthroponosen) oder von Mensch zu Tier (Anthropozoonosen) übertragen werden können. Auch bei Tuberkulose, der HIV-Infektion, Ebola oder COVID-19 handelt es sich um Zoonosen.

„Gerade weil man im Bereich der NTDs so wenig über die genauen Infektionswege weiß, ist der ‚One Health‘-Ansatz so wichtig“, bestätigt auch Dr. Saskia Kreibich, Public Health Beraterin bei der DAHW. Ziel ist es, in den NTD-Projekten der DAHW mehr holistische und, sektorübergreifende Konzepte umzusetzen, die Human- und Veterinärmedizin sowie Umweltwissenschaften zusammenbringen. „Denn wenn wir die gemeinsam genutzten Lebensräume von Tier und Mensch besser verstehen, können wir mit geeigneten Aufklärungsmaßnahmen das Risikobewusstsein und die Hygienestandards zur Prävention verbessern. Damit würden viele Übertragungen unterbunden.“ Gemeinsame Schulungen von Gesundheitspersonal in der Tier- und Humanmedizin könnten zudem einen positiven Effekt auf die Diagnostik und Behandlung von zoonotischen Erkrankungen haben.

Wie sich die Erkenntnisse der Affenforscher genau auf die weitere Lepra-Arbeit auswirken wird, ist noch nicht abzusehen. „In jedem Fall wurde eine weitere Brücke von der Tier- zur Humanmedizin geschlagen“, freut sich RKI-Wildtierexperte Dr. Fabian Leendertz. Sein Team versucht nun, die Quelle des Lepra-Erregers im Dschungel in Guinea-Bissau und an der Elfenbeinküste zu finden. Die gute Nachricht ist: Bis dato konnten keine signifikanten Auffälligkeiten beim Verhalten der Herde gegenüber den von Lepra betroffenen Affen festgestellt werden, die auf eine ähnliche Stigmatisierung der Krankheit hinweisen würden, wie sie bis heute in menschlichen Gesellschaften gegenwärtig ist.


Forschung ist seit jeher ein zentraler Bestandteil der DAHW-Arbeit.

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