22. März 2021

„On the road“, um Tuberkulose zu bekämpfen

Auch aus Angst vor dem COVID-19-Stigma kam die Behandlung für den LKW-Fahrer Ranjeet* (22) fast zu spät

Ranjeet* ist einer von rund sechs Millionen LKW-Fahrern in Indien. Wegen der langen Fahrzeiten, einer oft ungesunden Ernährung und einem Mangel an Bewegung und Hygiene ist der Gesundheitszustand vieler Trucker sehr schlecht. Gleichzeitig erschwert die Mobilität den Zugang zum Gesundheitssystem. In der Folge erkranken Trucker häufig an Tuberkulose – so wie der 22-jährige Ranjeet.

Seit Wochen plagen ihn Husten und Fieber, die Brust schmerzt und er verliert rapide an Gewicht. Ranjeet geht es elend, aber zum Arzt kann und will er nicht. Weil er als LKW-Fahrer keine Zeit für so etwas hat – er hat Verpflichtungen, muss Lieferfristen einhalten, darf nicht zu spät ankommen. Aber er hat auch Angst: Angst, dass man bei ihm Corona diagnostiziert, diese weltweit verbreitete Krankheit, die auch in Indien zu strikten Lockdowns geführt und zahllose Menschen in große Not gestürzt hat. Denn COVID-19 ist mit einem großen Stigma belegt. Sie trifft vor allem Arme und deshalb sollte man den Umgang mit ihnen meiden, um sich vor einer Infektion zu schützen. So denken immer mehr Inder*innen. Kein Wunder, dass Ranjeet verzweifelt.

Doch dann spricht ihn eines Tages auf einem Parkplatz ein Mann mit roter Käppi an. Es ist ein Berater der DAHW in Indien, der German Leprosy and Tuberculosis Association (GLRA) India: Im Rahmen eines Projektes des Bündnis Entwicklung Hilft, das von der Deutschen Bahn Stiftung finanziert wird, suchen unter dem Namen „Nai DISHA“ seit einiger Zeit Teams von GLRA India die großen LKWUmschlagsplätze im Norden des Landes auf, um speziell Trucker wie Ranjeet über Tuberkulose aufzuklären und Zugang zu Diagnose und Behandlung zu ermöglichen. Die roten Käppis dienen als Erkennungszeichen.

Erst will Ranjeet nicht erzählen, wie es ihm geht. Doch der Berater bleibt hartnäckig! Endlich offenbart sich der junge Mann: Er berichtet von seinen Symptomen und seiner großen Angst, wegen Corona ausgegrenzt oder vielleicht sogar entlassen zu werden. Der Berater erklärt ihm, dass sich eine COVID-19- und eine Tuberkulose-Erkrankung ähneln. Mit einem Sputumtest und einer Röntgenaufnahme des Brustkorbs lasse sich eine TB relativ einfach feststellen. Ranjeet willigt schließlich ein und hat schon kurz darauf Klarheit: Er hat sich eine potenziell tödliche Lungentuberkulose eingefangen.

Direkt nach der Diagnose vermittelt GLRA India ihn in das Sarojini Nagar Health Center, wo sofort mit der sog. DOTS-Behandlung begonnen wird. „DOTS“ steht für „Directly Observed Treatment, Short Course“ (wörtlich „Direkt beobachtete Behandlung, Kurzzeit“). Diese Strategie zur Bekämpfung der TB wurde 1992 von der Weltgesundheitsorganisation WHO ins Leben gerufen und soll helfen, Behandlungsabbrüche und damit die Entstehung von Medikamentenresistenzen zu vermeiden. Im Zuge einer DOTS-Behandlung werden Patient*innen von Gesundheitshelfer*innen bei der Medikamenteneinnahme begleitet und ihr Sputum regelmäßig kontrolliert. Durch die Behandlung verbessert sich Ranjeets Gesundheitszustand spürbar und nach einem halben Jahr kann er wieder seine Touren über Indiens schier endlose Straßen fahren und seine Familie versorgen. Er ist glücklich, dass er noch rechtzeitig Unterstützung erhalten hat und nun auch mehr darüber weiß, wie er sich vor Krankheiten schützen kann.

*Name von der Redaktion geändert.


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Obwohl die bakterielle Infektionskrankheit vermeidbar und behandelbar ist, versursacht sie nach wie vor großes Leid und fordert unzählige Menschenleben.