19. Januar 2024

„Unsere Mutter lebt hier nicht mehr.“ Was eine Lepra-Diagnose für Frauen bedeuten kann

Eine von Lepra betroffene Frau in Nigeria (Foto: Toby Nwafor / DAHW)

In vielen Bereichen des täglichen Lebens sind Frauen auch heute noch benachteiligt – auf der ganzen Welt. Das gilt auch für die Gesundheitsversorgung und insbesondere für stigmatisierende Krankheiten wie Lepra, darauf weist die DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe anlässlich des Weltlepratags am 28. Januar hin. Davon, was eine solche Diagnose für Frauen und Mädchen bedeuten kann, berichten DAHW-Mitarbeiter:innen aus Indien, Nigeria und dem Senegal.

Würzburg, 24.01.2024: Dr. Srilekha Penna hört den Menschen zu. Als Lepra-Expertin in Indien begleitet sie viele Projekte der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe. Ihr ist klar: Nur die Betroffenen selbst wissen, was es wirklich heißt, eine Lepra-Diagnose zu erhalten – gerade als Frau.

„Ich habe mit einer Frau gesprochen, die von Lepra und Behinderungen betroffen ist“, erzählt Penna. „Sie wurde in einem Zimmer des Hauses versteckt. Ihr Ehemann und ihre Kinder wollten verhindern, dass sie von irgendjemandem gesehen wird.“ Wie in zahlreichen anderen Ländern ist Lepra auch in Indien mit einem großen Stigma behaftet. Betroffene werden aus der Gesellschaft ausgeschlossen – und manchmal auch aus der Familie. „Irgendwann starb der Ehemann“, fährt Penna fort, „doch die Kinder verhalten sich genauso. Sie erzählen allen, dass ihre Mutter nicht mehr bei ihnen lebt.“

Dr. Joseph Chukwu, langjähriger medizinisch-technischer Experte für DAHW-Projekte in Nigeria, weiß genau, wovon seine indische Kollegin spricht – denn auch in seinem Land machen Frauen und Mädchen ähnliche Erfahrungen. „Manchmal musste ich den betroffenen Frauen schwören, dass ihre Ehemänner niemals von ihrer Erkrankung erfahren“, erzählt er. „So schlimm war es.“ Sein Kollege, Dr. Ngozi Ekeke, fügt hinzu: „Oft haben schon junge Mädchen, die von Lepra betroffen sind, schwerwiegende Behinderungen. Man kann sich vorstellen, was das an Komplikationen und mentalen Traumata nach sich zieht – und wie es das Sozialleben dieser Person beeinflussen wird.“

„Frauen, die von Lepra betroffen sind, bleibt in vielen Fällen der Zugang zu medizinischer Versorgung verwehrt“

Frauen und Mädchen nehmen in den meisten Ländern der Erde eine besondere Rolle in der Gesellschaft ein – und sie sind in vielen Situationen auch besonders vulnerabel. Das gilt für humanitäre Krisen, aber auch für individuelle Herausforderungen, zu denen auch eine Lepra-Diagnose zählt. In allen DAHW-Projekten wird diese besondere Rolle daher berücksichtigt. „Frauen, die von Lepra betroffen sind, bleibt in vielen Fällen der Zugang zu medizinischer Versorgung verwehrt“, erklärt Juliane Meißner, bei der DAHW unter anderem zuständig für die Projekte in Indien und Afghanistan. „Oft fehlt zum Beispiel weibliches Fachpersonal, das eine Lepra-Erkrankung diagnostizieren kann – und das bedeutet dann in Ländern wie Afghanistan ganz einfach, dass eine Frau nicht untersucht wird.“ In Familien mit niedrigem Einkommen ist es in Ländern des Globalen Südens zudem oft nicht leicht, die Kosten für einen Arztbesuch aufzubringen. Wenn überhaupt, wird daher der Mann, auf dessen Einkommen die Familie angewiesen ist, behandelt – nicht aber die Frau, die mit den Kindern zuhause ist. Und natürlich spielt auch das Patriarchat eine Rolle: Es ist vielerorts schlicht die Realität, dass Frauen nicht dieselben Freiheiten genießen wie Männer, also beispielsweise nicht einfach einen Arzttermin vereinbaren können, wenn sie das für sinnvoll halten – das berichten DAHW-Mitarbeiter:innen immer wieder.

Frauen und Mädchen benötigen neben der rein medizinischen Hilfe außerdem häufig weitere Unterstützung. Sei es, weil sie von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen oder bedroht sind, weil sie sich um kleine Kinder kümmern müssen oder weil sie – wenn sie etwa wegen einer Lepra-Erkrankung von ihren Ehemännern verlassen werden – kaum eine Möglichkeit haben, selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. All diese Aspekte fließen in die Konzeption der DAHW-Projekte mit ein. „Wir tragen diesen Herausforderungen Rechnung, zum Beispiel, indem wir Frauen über ihre Rechte aufklären, die Gemeinschaften sensibilisieren und gezielt Schulungen für Frauen anbieten, um sie bei der langfristigen Sicherung ihres Einkommens zu unterstützen“, erklärt Meißner.

Nur gemeinsam können Lepra und Stigmatisierung besiegt werden

Dabei wird auch das besondere Potenzial der weiblichen Bevölkerung gesehen. Im Senegal beispielsweise stellt sich momentan die Frage, wie ehemalige „Lepradörfer“, deren gesetzliche Ausnahmestellung nun aufgehoben wurde, wieder in die Gebietskörperschaften eingegliedert werden können. Mahamath Cissé, DAHW-Büroleiter im Senegal, setzt da ganz klar auf die Führungsqualitäten der Bewohnerinnen: „Wir wissen, dass Frauen wahrhaft erfinderisch sind. Sie sind die Stützen des Widerstands“, sagt er. Widerstand gegen strukturelle Diskriminierung beispielsweise, von denen Lepra-Betroffene im Allgemeinen und Frauen und Mädchen im Besonderen betroffen sind. Die DAHW unterstützt sie dabei – mit aller Kraft. Denn nur, wenn alle Betroffenen mit einbezogen werden, können Lepra und Stigmatisierung besiegt werden.


 

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