14. November 2007

Ausgestoßen darf nicht chancenlos bedeuten

Der zehnjährige Francis aus Uganda im täglichen Kampf ums Überleben seiner Familie.

Die Schulglocke läutet pünktlich um 16 Uhr, und wie überall stürmen die Kinder fröhlich nach Hause. Auch der zehnjährige Francis Kato ist guter Laune – nicht etwa, weil die Schule vorbei ist, denn Francis geht gern zur Schule. Francis freut sich darauf, daheim endlich seinen knurrenden Magen füllen zu können. Schulgeld wird zwar nicht mehr verlangt, aber die Schulspeisung ist nicht kostenlos. 12.000 Uganda-Shilling pro Kind und Jahr, umgerechnet rund sechs Euro – zuviel für Francis und seine drei Geschwister Karolina, Stera und Fred.

Das Leben wird gemeistert

Fast sechs Kilometer Fußmarsch, eine knappe Stunde, muss der knurrende Magen noch warten, dann wartet Großmutter Rucy Nakijama auf ihre vier Enkelkinder. Die 52-Jährige lebt seit 30 Jahren in Buluba neben dem großen Krankenhaus. Die Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) hat dort, im Süden des Landes, eine für dortige Verhältnisse moderne Klinik mit sozialer Betreuung eingerichtet (Details siehe Infokasten). Rucy war damals an Lepra erkrankt und eines Tages konnte sie die Zeichen der Krankheit nicht mehr verstecken – ihr eigener Mann verstieß sie aus dem Dorf. Schließlich kam sie ins DAHW-Projekt, wurde dort geheilt und blieb in Buluba. Wohin sollte sie auch gehen, ihre Familie und ihr ganzes Dorf hatten sie verstoßen. Eine Heilung von der Lepra konnten sie sich nicht vorstellen – niemand dort hatte je eine Schule besucht.


 

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Obwohl geheilt, findet Großmutter Rucy keine Arbeit – zu deutlich sind die Spuren der Lepra und zu groß die Vorurteile. Foto: Thomas Einberger

 
 

Rucy lebt seit dieser Zeit davon, dass sie dank der Unterstützung durch die DAHW Mais und Süßkartoffeln anbaut. Mehr schlecht als recht konnte sie allein davon leben, da ihre Hände durch die Lepra verstümmelt sind und die Feldarbeit erschweren. Einen Arbeitsplatz konnte sie in all den Jahren nicht finden: Wenn ein Arbeitgeber ihre Hände sieht, ist das Gespräch schnell beendet. Zu tief sitzen die Vorurteile – dass die Krankheit heilbar ist, können viele Menschen immer noch nicht glauben. 

Vor sieben Jahren dann stand plötzlich ihre Tochter vor der kleinen Lehmhütte. Das Dorf, das Rucy einst so grausam vertrieben hatte, konnte die nachkommende Generation nicht mehr ernähren – ein Vorgang, der sich seit vielen Jahren in den ärmsten Gebieten Afrikas oft wiederholt.

 

Familie in größter Not

Die Lösung ist ebenso alt wie grausam: Junge Menschen müssen in Regionen ausweichen, in denen Arbeit zu finden ist und ihre Kinder den Großmüttern überlassen. Zumeist für ein paar Jahre, manchmal aber auch für immer. Rucy’s Tochter fand Arbeit bei den Fischern auf einer Insel im Viktoriasee und kam ein paar Jahre lang regelmäßig zu Besuch. Doch seit ungefähr drei Jahren gibt es kein Lebenszeichen mehr – kein Besuch, kein Brief, nicht einmal ein Hinweis, was ihr zugestoßen sein könnte. Rucy muss seit dieser Zeit völlig allein für die Kinder sorgen: fünf Menschen, fast ohne Einkommen in einer rund zwölf Quadratmeter kleinen Lehmhütte.

 

Francis neben Zwillingsbruder Fred und Schwester Stera (9). Dahinter sitzen Schwester Karolina (12) und Großmutter Rucy (52). Foto: Thomas Einberger

Sichtbare Spuren der Armut

Francis kennt die Sorgen der Großmutter, er spürt sie täglich: fast alle Kinder tragen Schuluniform, auch seine Schwestern Karolina und Stera – gebraucht gekauft und die jüngere trägt die der älteren Schwester auf. Für die Zwillingsbrüder geht das nicht: zwei Uniformen auf einmal kann die Großmutter nicht bezahlen.

Auf den letzten Metern nach Hause rennen die Geschwister fast, denn es wartet die Arbeit auf dem Feld: Jetzt nach der Regenzeit muss jede Stunde ausgenutzt werden, um später eine gute Ernte einfahren zu können. Um 19 Uhr wird es dunkel, bis dahin muss die Familie möglichst viel geschafft haben: Nach der Feldarbeit noch Wasser holen, Feuerholz sammeln und erst dann – endlich – gibt es ein richtiges Abendessen.

Lernen für die Zukunft

Mit gefülltem Magen macht Francis seine Hausaufgaben: er will viel lernen, damit er später für seine Großmutter sorgen kann, die ihn so gut behütet. Für eine eigene Familie natürlich auch, und überhaupt will er allen Kindern helfen, bessere Chancen für die Zukunft zu bekommen. Francis will Lehrer werden und dann seinen Schülern besonders eine Geschichte erzählen: Lepra ist keine Schande und auch dank der Hilfe der DAHW ist sie heilbar! So wie seine Großmutter soll niemand mehr ausgestoßen werden, so wie seine Eltern soll niemand mehr seine Kinder verlassen müssen, und das will er seinen Schülern beibringen.

 

Francis geht gern in die Schule – später will er selbst Lehrer werden. Foto: Thomas Einberger

In Buluba werden die Menschen nicht nur medizinisch behandelt. Lepra-Patienten, die nach ihrer Heilung mit Vorurteilen und Behinderungen leben müssen, erhalten die Chance auf eine menschenwürdige Zukunft. Jede auch noch so kleine Unterstützung hilft dabei.


Uganda: Informationen zu Land und Leuten

Vor 40 Jahren war Buluba eine Leprakolonie