29. Juni 2023

DAHW verabschiedet Bildungsreferentin Maria Hisch in den Ruhestand

Bildungsreferentin Maria Hisch (r.) mit ihrer Nachfolgerin Saanika Amembal bei einer Veranstaltung zugunsten der DAHW (Foto: Robert Emsden)

Sie arbeitete in Äthiopien und Tansania mit Lepra-Patient:innen, baute die Bildungsarbeit der DAHW auf und erkannte schon früh die Bedeutung globaler Zusammenhänge – jetzt geht die Bildungsreferentin Maria Hisch in den Ruhestand. Eine Würdigung.

Würzburg, 29.6.2023: Wenn Maria Hisch im Auftrag der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe eine Schule besucht, dann kommt sie nicht mit leeren Händen: Die Bildungsreferentin hat Erinnerungsstücke aus fernen Ländern im Gepäck. „Ich habe zum Beispiel oft selbstgemachte Spielsachen dabei“, zählt sie auf, „Kleidung zum Ausprobieren und so weiter. Mir ist wichtig, dass das, was ich den Kindern zeige, nicht nur auf Fakten beruht, sondern auch auf Erfahrungen.“ Und die hat Maria Hisch zur Genüge.

Fremde Lebenswelten durch eigenes Erleben erfahrbar machen, so könnte man Maria Hischs Ansatz also vielleicht zusammenfassen – und auch ihr Leben. Denn die gebürtige Bürgstadterin ist zwar seit Ende der Neunzigerjahre für die DAHW in Schulen zu Besuch, vermittelt Inhalte des Globalen Lernens und lässt Kinder und Jugendliche teilhaben am Alltag der Menschen in anderen Ländern dieser Erde. Zuvor aber war sie selbst Teil dieses Alltags – beinahe zwei Jahrzehnte lang.

„Entwicklungshelferin nannte man das damals noch“, erinnert sie sich. „Dieses Denken ist ja zum Glück vorbei, heute weiß man: Wir arbeiten zusammen und gemeinsam lernen wir.“ Dass Maria Hisch diesen Gedanken schon damals, zu Beginn der Achtzigerjahre, in sich trug, zeigt sich an ihrem Werdegang: Nach einem ersten Auslandsaufenthalt in Brasilien, wo die gelernte Erzieherin und studierte Theologin und Sozialarbeiterin für ein Adveniat-Projekt tätig war, schloss sie sich ihrem Verlobten Ernst Hisch an, der für die DAHW auf einer sogenannten „Leprainsel“ im Norden Thailands arbeitete. Die beiden heirateten rasch und gingen schließlich gemeinsam für die DAHW nach Äthiopien, wo Ernst Hisch im Lepra-Krankenhaus und Ausbildungszentrum „Alert“ tätig war und Maria ihre Arbeit im angrenzenden Slum aufnahm. Denn: Lepra-Patient:innen, die im „Alert“ behandelt wurden, konnten nicht in ihre Heimatorte zurückkehren, sie wurden ausgestoßen. So bildete sich eine Art Parallelgesellschaft in der Nähe der Klinik – ohne Anschluss an die Wasser- und Stromversorgung, ohne eine Straße, die in den Slum führte.

Das bedeutete aber nicht, dass die Menschen dort hilflos waren: „Als ich ankam, hatten die Leute im Slum schon einen Verein gegründet und sich überlegt, wie sie für sich sorgen konnten“, erklärt Maria Hisch. „Aber sie brauchten eine Kontaktperson in die Stadt. Und das war ich.“

Rasch gingen Maria Hisch und die Leprapatient:innen ans Werk: Sie holten Genehmigungen ein, legten Wasser- und Stromleitungen, gründeten eine Schneiderei und eine Mühle und verkauften schließlich erfolgreich Kleidung und gemahlenes Getreide – auch an die Bevölkerung außerhalb des Slums. „Das war ein richtiger Aufbruch“, sagt Hisch heute. „Die Ausgestoßenen und die nicht von Lepra betroffenen Menschen haben miteinander kommuniziert. Ein Meilenstein!“

Mit ihrem in Äthiopien geborenen Sohn gingen die Hischs 1990 nach Tansania, wo sie ebenfalls mit Leprapatient:innen zusammenarbeiteten und etwa in Studien die soziale Dimension der Krankheit untersuchten. Als Dreifacheltern kehrten sie weitere sechs Jahre später zurück nach Deutschland. Dort unterstützte Maria Hisch ihren Mann bei seiner Arbeit für Nepal und Pakistan – und sie begann mit dem Aufbau der Bildungsarbeit der DAHW.

„Ich war sechzehn Jahre lang vor Ort“, sagt sie, „und habe mit den Menschen zusammengearbeitet. Ich habe ihre Not gesehen, und ihr Potenzial. Und sehr schnell war mir klar: Um nachhaltig etwas verändern zu können, müssen wir hier uns ändern, im Globalen Norden. Wir müssen die Perspektive auf unser Dasein, unseren Wohlstand richten.“ Das hat Maria Hisch bis heute getan, indem sie die Vision der DAHW – eine Welt ohne Krankheiten der Armut – in die Schulen getragen hat. In Fächern wie Religion und Ethik, Geographie oder Sozialkunde machte sie mit den Schüler:innen Lebenswelten in Tansania oder Indien erfahrbar, und sie arbeitete mit den Kindern und Jugendlichen gemeinsam die globalen Wechselwirkungen heraus: „Alles, was wir tun oder nicht tun, hat weltweite Auswirkungen“, davon ist sie überzeugt. Ob es nun um den Klimawandel geht, um Fluchtbewegungen oder um Reichtum und Armut: „In der Bildung liegt das größte Potenzial für eine gerechtere Zukunft“, sagt sie.

Das weiß auch Saanika Amembal, Maria Hischs Nachfolgerin als Bildungsreferentin der DAHW. „Es ist von großer Bedeutung, dass Einblicke in andere Lebensrealitäten möglich sind, ohne, dass Stereotype weiter reproduziert werden“, so die Kollegin. „Es ist wichtig, die eigene Rolle im globalen Miteinander zu reflektieren – und das hat Maria seit Jahren getan. Sie hat Wissensvermittlung mit der Lebensrealität der Schüler:innen in Verbindung gebracht, um Stereotype abzubauen. Damit hat sie viele Menschen berührt.“

Maria Hisch im Ruhestand – wer sie kennt, kann sich das kaum vorstellen, sprudelt sie doch wie eh und je über mit Ideen und Vorschlägen. Auch die Führungsebene der Organisation tut sich mit diesem Gedanken schwer: „Maria Hisch aus dem aktiven Dienst verabschieden – allein dieser Satz irritiert“, sagt DAHW-Vorstand Patrick Georg. „Ruhe, Runterfahren, Inaktiv sein, das sind Begriffe, die mit Maria nichts zu tun haben. Wir werden ihr Engagement, ihre Leidenschaft und ihren Tatendrang schmerzlich vermissen.“

Maria Hisch aber wird das, wofür sie ihr Leben lang brannte, nicht im Büro in der Würzburger Raiffeisenstraße zurücklassen – das ist ihr selbst sowieso klar: „Das, was mein Mann und ich im Herzen tragen, die Sorge um andere, das Lernen von anderen, das bleibt Teil von uns“, sagt sie. „Und unsere Überzeugung, nach der wir immer gearbeitet haben: Erlebe die Menschen und sieh, was du von ihnen lernen kannst.“ Genau das hat Maria Hisch als „Mittlerin“ Tausenden Kindern und Jugendlichen ermöglicht. Ein Verdienst, dessen Bedeutung kaum überschätzt werden kann.