18. November 2021

Toiletten bauen ist wichtig – aber bitte sinnvoll!

Foto: Burkard Kömm / DAHW

Zum Welt-Toiletten-Tag 2021 erklärt die DAHW die Missstände in der weltweiten Sanitärversorgung, den Zusammenhang zwischen vielen vernachlässigten Tropenkrankheiten (NTDs) und einer fehlenden adäquaten Wasser-, Sanitär- und Hygieneversorgung (WASH) sowie die Wichtigkeit eines kontextuellen Ansatzes beim Toilettenbau.

Seit 2001 gibt es die Welt-Toiletten-Organisation („Word Toilet Organization“) und ebenso lang den Welt-Toiletten-Tag der Vereinten Nationen, der jährlich am 19. November stattfindet. Er wurde ins Leben gerufen, um die Aufmerksamkeit auf die sanitäre Krise zu lenken und eine Verbesserung der Toiletten- und Sanitärbedingungen weltweit zu erreichen. Ein Welttag für Toiletten?

Was zunächst wie ein Witz klingt, lässt sich schnell belegen. „Toiletten sind wichtiger als Sie denken“, schreibt die Welt-Toiletten-Organisation auf ihrer Website und berichtet, dass etwa 297.000 Kinder unter fünf Jahren jährlich an Durchfallerkrankungen sterben, die auf schlechte sanitäre Einrichtungen, mangelnde Hygiene oder unsicheres Trinkwasser zurückzuführen sind. Das sind jeden Tag mehr als 800 Kinder. Sie berichtet auch, dass es immer noch viel zu viele Mädchen gibt, die die Schule verpassen, weil sie aufgrund der mangelnden sanitären Versorgung während ihrer Menstruation gezwungen sind, zuhause zu bleiben, dass fast in der Hälfte aller Schulen weltweit den Schüler:innen keine Handwaschgelegenheiten mit Wasser und Seife zur Verfügung stehen, dass mindestens zwei Milliarden Menschen zwangsläufig eine mit Fäkalien verunreinigte Trinkwasserquelle nutzen und, dass mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung (4,2 Milliarden Menschen) keinen Zugang zu sicheren sanitären Einrichtungen haben.

Dabei sorgt eine saubere und sichere Toilette für Gesundheit, Würde und Wohlbefinden. Und mehr noch: Der Zugang zu einer angemessenen und gerechten Sanitärversorgung ist ein Menschenrecht. Ziel Nummer 6 der nachhaltigen Entwicklungsziele der UN fordert die Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und der Sanitär- und Hygieneversorgung (WASH) für alle.

Offene Defäkation beenden!

Eine Folge des fehlenden Zugangs zu Toiletten ist die offene Defäkation, wie sie vor allem in ländlichen Gebieten praktiziert wird. Susan Höfner, WASH-Expertin bei der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe, weiß um die Zusammenhänge: „Die offene Defäkation beispielsweise in Feldern, Fischteichen, Flüssen und Seen ist ein großes Problem. Es mangelt an Hygienepraktiken, aber auch an Zugang zu Sanitäranlagen, bei denen die Klärgrube so platziert ist, dass sie das Grundwasser nicht kontaminiert. Das begünstigt die Übertagung von Erregern, die Krankheiten verursachen und die Sterblichkeit erhöhen.“

Die DAHW kämpft in ihren Projekten gegen diese sogenannten wasserassoziierten Krankheiten. Dazu gehören zum Beispiel Schistosomiasis (Bilharziose), eine von Saugwürmern verursachte Tropenkrankheit, mit der sich die Menschen in und am Wasser infizieren. Die Würmer produzieren tausende Eier, die der Mensch mit Kot oder Urin wieder ausscheidet – mangels Alternative in dem Wasser, in dem er auch badet, Wäsche wäscht und fischen geht. Auch die Lymphatische Filariose (Elephantiasis) zählt zu den wasserbezogenen Krankheiten. Denn die Insekten, die diese Krankheit übertragen, legen ihre Eier im Wasser, vorzugsweise in offenen Gewässern bzw. Sümpfen ab. Damit Menschen nicht in der Nähe solcher Brutplätze Wasser holen müssen, sollten Wasserleitungen installiert werden.

Zu den Mandatskrankheiten der DAHW gehört auch die NTD Buruli Ulcer. Die Krankheit ist klar umweltassoziiert, denn Übertragung und Risiko einer Infektion werden mit der Nähe zu stehenden oder langsam fließenden Gewässern in Verbindung gebracht. Ähnlich wie bei Schistosomiasis sind auch von Buruli Ulcer viele Kinder betroffen, was allem Anschein nach mit dem Verhalten im und am Wasser zusammenhängen kann.

„Die Schnittstelle zwischen menschlicher Gesundheit und Wasser erfährt durch das Auftreten von wasserassoziierten Krankheitserregern den größten Druck“, schreibt die King George’s Medical University (KGMU) India in ihrem Artikel „Vernachlässigte tropische, durch Wasser übertragene Infektionskrankheiten - Strategien zur Eindämmung“. Wasserassoziierte Infektionskrankheiten seien die Hauptursache für Morbidität1 und Mortalität2 in den Ländern des Globalen Südens. Die Gründe für das Auftreten wasserbedingter Infektionen lägen in der schlechten sanitären Versorgung, bei der verunreinigtes Fäkalwasser am häufigsten vorkommt. So schließt sich der Kreis.

„Der Zugang zu einer sicheren WASH-Versorgung ermöglicht einen stark verbesserten Schutz und die Kontrolle von vernachlässigten Tropenkrankheiten (NTDs)“, ergänzt Dr. Saskia Kreibich, Public Health Beraterin bei der DAHW.Zahlreiche Übertragungswege von NTDs können mit verbessertem WASH unterbrochen werden, z. B. die von Trachom oder  Schistosomiasis. 1,8 MilliardenMenschen nutzen Gesundheitseinrichtungen, denen es an einer grundlegenden Wasserversorgung mangelt. Dabei sind gute sanitäre Bedingungen essentiell für die Behandlung von NTD assoziierten Wunden und die Prävention von Behinderungen, wie z. B. bei Lepra und Buruli Ulcer.“

Erst im vergangenen Jahr hat die Weltgesundheitsorganisation WHO eine globale WASH-Strategie zur Bekämpfung vernachlässigter Tropenkrankheiten veröffentlicht.

Diese unterstützt die Erreichung der Ziele der NTD Roadmap 2021-2030,an deren Entwicklung auch die DAHW beteiligt war, verdeutlicht die entscheidende Rolle von Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene für die Prävention, Versorgung und Behandlung von NTDs und zeigt erforderliche Maßnahmen auf, um sicherzustellen, dass die WASH-Bemühungen zu verbesserten und nachhaltigen Ergebnissen in den Bereichen Gesundheit und Wohlbefinden führen.

Toiletten bauen – aber bitte sinnvoll!

„Wir wissen, welche Schlüsselrolle WASH bei der Krankheitsprävention spielt und dass Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene Grundpfeiler der menschlichen Gesundheit sind“, führt Susan Höfner aus. „Darum setzt sich die DAHW auch für den Bau von Brunnen und Toiletten ein. Doch dabei sei ein kontextueller Ansatz essenziell: „In unserem Kulturkreis sind erhöhte Toiletten üblich, woanders nutzen die Menschen eher Hocksitztoiletten. Eine Geschlechtertrennung von Toiletten ermöglicht es Mädchen mitunter, auch während ihrer Menstruation am Schulunterricht teilnehmen zu können. Und barrierefreie Toiletten können auch von Menschen mit Behinderungen selbstständig genutzt werden. Schließlich dient eine Toilette ja nicht nur der Gesundheit, sie sorgt auch für Würde und Wohlbefinden.“

Häufig muss die Bevölkerung erst von den Vorteilen einer Toilette erfahren. Teilweise ist Überzeugungs- und Aufklärungsarbeit erforderlich. Zum Beispiel, wenn Toiletten explizit mit dem Ziel installiert werden, die Übertragung von bestimmten Krankheiten zu unterbinden.

Indirekt wird dabei die Stigmatisierung gefördert. Die Menschen trauen sich kaum, die Toilette zu benutzen – aus Scham und aus Angst, sie würden mit dieser Krankheit in Verbindung gebracht werden.

 „Eine größere Versorgung mit sanitären Einrichtungen garantiert nicht automatisch die Nutzung oder Wartung von Toiletten“, schreibt die United Nations University in ihrem Artikel über das nachhaltige Entwicklungsziel Nr. 6 aus der Artikelserie "17 Tage, 17 Ziele". Zudem gibt es in vielen sogenannten Entwicklungsländern der UNU zufolge Tausende verlassene Toiletten, die aufgrund mangelhafter Bauweise oder Wartung in verschiedenen Stadien der Nichtnutzung stünden. „Sie tragen zur optischen Verschmutzung, zur Geruchsbelästigung und zur Verunreinigung bei. Um den Gesundheitszustand zu verbessern, muss also nicht nur der Anteil der sanitären Einrichtungen erhöht werden, sondern dies muss auch mit einer Verhaltensänderung einhergehen. Letzteres umfasst die Toilettenbenutzung und -wartung sowie andere Hygienemaßnahmen wie das Händewaschen.“

Dessen ist sich auch die DAHW bewusst. „Im Zuge unserer COVID-19-Interventionen beispielsweise unterstützten wir die Gesundheit von Menschen in Nigeria, in dem wir ihnen Zugang zu Seife und sauberem Wasser ermöglichen. Mit unserer lokalen Partnerorganisation SMTF in Myanmar bauten wir 2020 in zwei Camps für geflüchtete Rohingya neue Toilettenanlagen mit Zugangsrampen, damit diese auch von Menschen mit Behinderung genutzt werden können. Damit sich die Menschen in Mwanza in Tansania nicht mehr beim Wasserholen aus dem Viktoriasee mit dem Erreger der vernachlässigten Tropenkrankheit Schistosomiasis infizieren, errichteten wir in den Ufergemeinden Brunnen.

Begleitet werden diese Maßnahmen durch den Aufbau von Kompetenzen zur Installation und zur Instandhaltung durch Schulungen und Aufklärungskampagnen in den Schulen und Gemeindezentren. „Toiletten zu bauen ist das eine. Doch die Menschen durch Bildung in die Lage zu versetzen, sich eigenständig für saubere und sichere sanitäre Einrichtungen in ihren Gemeinden einzusetzen, ist mindestens genauso wichtig und trägt nachhaltig zur Förderung von Gesundheit und Wohlbefinden bei“, so Susan Höfner.


1Die Morbidität beschreibt die Häufigkeit einer Erkrankung innerhalb einer Bevölkerungsgruppe.

2Die Mortalität beschreibt die Anzahl der Todesfälle in einem bestimmten Zeitraum.


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