07. April 2018

"Wenn wir in Gesundheit investieren, investieren wir in die Zukunft eines ganzen Landes"

Die Journalistin Laura Lewandowski, die gemeinsam mit Julian Ganzer die Charity-Eventserie "Life Act" in Berlin gegründet hat, ist für und mit der DAHW in Projekten in Äthiopien und Uganda.

Hier schildert sie ihre Eindrücke.

Um kurz nach 6.30 Uhr rollt der weiße SUV vor das schwere Eisentor. Ato Ahmed empfängt mich grinsend und mit wedelnden Armen. „Sorry for running late“ (15 Minuten) - „Wir haben dieses Guesthouse einfach nicht gefunden“. Dafür müsse es jetzt umso schneller gehen. Denn wer es vor 7 Uhr nicht über die Grenzen Addis Abebas hinaus schafft, schafft es bis Mittags nicht. Bei blauem Himmel und klarer Luft starten wir, während Äthiopiens Hauptstadt hinter uns zum Leben erwacht.

Wir: das sind Ato Ahmed, Regionalrepräsentant für Ostafrika und langjähriger Mitarbeiter der DAHW - Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e.V. , der sein Land wie kaum ein Zweiter kennt. Ebenso Christine Straub, die in Deutschland bei der DAHW für humanitäre Hilfe zuständig ist. Gemeinsam zeigen er und sein Fahrer Nasru uns die Situation vor Ort. Gekommen bin ich, um für die DAHW Bilder & Geschichten aus ihren Projekten mitzubringen und natürlich für „Life Act“, unseren gemeinnützigen Verein aus Berlin. Insgesamt zwei Wochen dauert die Reise Anfang April. Erst Äthiopien, danach Uganda. Ich will wissen: In welche Projekte fließen unsere Spenden aus Deutschland? Wo werden sie am meisten gebraucht? Wie organisieren sich NGOs vor Ort? Antworten auf diese Fragen soll ich bald bekommen. Und auf viele weitere.

Station I: Shashemene Hospital

Wenn wir in Gesundheit investieren, investieren wir in Zukunft eines ganzen Landes

Unser erstes Ziel ist Shashemene, etwa vier Stunden Fahrt südlich von Addis Abeba. Der Besuch eines Krankenhauses steht an, das die DAHW seit Jahren unterstützt. Mein Blick schweift aus dem Fenster. Kilometerlang ziehen nichts als weite Landschaften an uns vorbei. Wegen der Dürre ist die Erde an vielen Stellen aufgeplatzt. Aus den Rissen wachsen karge Bäume. Die Regentage innerhalb der vergangenen sechs Monate seien an einer Hand abzuzählen, sagt Ahmed. Ein Niemandsland, könnte man meinen.

Wären da nicht in regelmäßigen Abständen Dörfer. Kinder laufen zwischen Eselskarren und Rikschas auf der Straße umher. Männer sitzen vor Obstständen auf Plastikstühlen. Frauen sind kaum zu sehen. Die seien meistens zu Hause und kümmern sich um die Familie, sagt Ahmed. In Hütten mit Wellblechdach. „Zum Glück ändert sich das gerade. Immer mehr Mädchen gehen zur Schule.“ Ein enormer Fortschritt für das Land, das zu den fünfzehn ärmsten der Welt zählt. Allerdings ist es nur ein sehr langsamer. Eine Studie der Weltbank ergab, dass gerade Mädchen in ländlichen Gegenden schlechte Chancen haben, überhaupt je eine Schule von innen zu sehen.

Dazu kommt die Dürre. Über 200 Einrichtungen mussten schließen, die eigentlich für 400 000 Kinder da sind. In den Schulen werden inzwischen Ernährungsprogramme umgesetzt, dass sie überhaupt zu essen bekommen. Jeder hier, der selbst Bildung genossen hat, weiß, dass die Zukunft Äthiopiens von der Jugend abhängt.

Nach vier Stunden erreichen wir das weiße Tor des Hospitals in Shashemene. Errichtet wurde das missionsärztliche Krankenhaus im Jahr 1953. Damals war es zur Behandlung von Lepra gedacht. Inzwischen zählt es zu einer der vier wichtigsten öffentlichen Kliniken in der Region Oromia und ist die Anlaufstelle für rund 2,5 Millionen Menschen. "Der entscheidende Vorteil für Patienten ist der günstige Service“, sagt Ahmed. Für bitterarme Menschen sei er sogar kostenlos. Privatkliniken dagegen für viele schier unbezahlbar.

Der Schotterweg führt uns vorbei an der Psychiatrie bis zur Chirurgie. Hier werden Knochenbrüche geheilt, genauso wie HIV behandelt. Für Kinder gibt es eine eigene Station - und die ist für viele die letzte Rettung. Noch immer gelten 350 000 Mädchen und Jungen laut Unicef in Äthiopien als „extrem unterernährt“.

Von europäischen Standards ist das Krankenhaus weit entfernt. Auf 265 Betten kommen neun Ärzte. Der Notdienst ist ein Esel, der eine Patientin auf einem Holzkarren zieht. Die Infusionsständer sind teils rostig. „Das größte Problem ist zu wissen, du kannst helfen, aber es ist kein Geld da“, sagt Ahmed. Die Spendengelder gingen immer mehr zurück. Wäre die Einrichtung nicht da, müssten Familien aber kilometerweit anreisen. Und ohne Geld, keine Chance.

Die Arbeit der vergangen Jahre macht die Experten trotzdem stolz. Die Leprafälle sind auch durch die Arbeit der DAHW in den letzten 30 Jahren drastisch gesunken. „Damals waren es 80 000, heute 4000“, sagt Ahmed. Diese Behandlung ist nach wie vor für alle kostenlos. Genauso wie die Geburtenstation. „Wir wollen Frauen dazu bringen, ihre Kinder in der Klinik auf die Welt zu bringen“, sagt ein leitender Arzt. Zu Hause sind die hygienischen Bedingungen teils so schlecht, dass Mutter und Baby nach der Geburt sterben. Der Grund, warum sie trotzdem daheim bleiben wollen: traditionelle Zeremonien. „Um die Frauen anzulocken, gibt es Kaffee und spezielles Essen jetzt auch im Krankenhaus“, weiß Ahmed.

Mir wird bewusst, wie wichtig Einrichtungen wie diese gerade für ein Land wie Äthiopien sind, das vor so vielen Herausforderungen auf einmal steht. Klimawandel, Dürre oder Kriege mit einer Spende zu stoppen, ist unmöglich. In die Gesundheit von Menschen zu investieren, bewirkt sofort etwas. „Wenn ich sage, in 10 Jahren ist alles vorbei, lüge ich“, sagt Ahmed. Was ihn antreibt, ist der Ausblick in die Zukunft. „Ökonomischer Aufschwung hängt einzig allein von den Menschen ab“. Gerade die Jugend sei der Motor der Wirtschaft. „Wer in ihre Gesundheit investiert, investiert in die Entwicklung des Landes.“


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